Mittwoch, 10. Juli 2013

Auf der Straße des Todes

Nachdem wir uns von der Besteigung des Huayna Potosi erholt und neue Kraft geschöpft hatten, waren von unserer Zeit in Bolivien noch drei Tage übrig, die wir natürlich sinnvoll nutzen wollten.
Schon zu Beginn unseres Urlaubs hatte uns Michael von einer ganz besonderen Aktion erzählt, die wir unternehmen sollten, falls wir die Zeit hätten. Es handelt sich dabei um eine Mountainbike-Tour auf der sog. "Strasse des Todes".
Wir waren ob des Namens natürlich neugierig geworden, und beschlossen nun, dieses Abenteuer auch noch zu bestehen.
Sicherlich erzeugt der Name beim Leser auch eine gewisse Neugier, und so folgen nun einige Fakten zu dieser Route. Es handelt sich dabei um eine Verbindungsstraße vom bolivianischen Hochland in die subtropischen Gebiete der sog. Yungas. Ausgangspunkt ist ein ca. 20km von La Paz entfernter Pass von 4700mH, von dem aus es beständig bis auf 1200mH auf einer Strecke von 60km abwärts geht.
Nun, das ist sicher schon ganz interessant, erklärt aber nicht den zunächst reißerisch klingenden Namen. Den hat diese Strecke im Jahr 1996 von der ... Development Bank erhalten, indem sie sie zur gefährlichsten Straße der Welt erklärte. Jährlich gab es hier bis zu 300 Tote zu beklagen. Die Gründe hierfür sind vielfältig: die Straße ist nicht asphaltiert, extrem schmal, häufig durch Regenfälle rutschig und praktisch ohne Randbefestigung. Und das wichtigste: sie schlängelt sich einige hundert Meter über dem Talgrund an extrem steilen Hängen entlang. Um die Lage ein wenig zu entschärfen, gilt auf dieser Strecke auch eine in Bolivien einmalige Regel: der Linksverkehr. Dadurch soll erreicht werden, dass aufwärts fahrende Fahrzeuge bei Begegnungen nicht an der gefährlichen Talseite manövrieren müssen.
Nun gehören wir beide ja bekanntlich nicht zu der Sorte Menschen, die unbedingt Abenteuer auf Leben und Tod bestehen wollen. Und tatsächlich ist das Befahren der "Death Road" mit dem Mountainbike heutzutage ein professionell veranstaltetes Event, das ein nicht zu hohes Risiko beinhaltet. Grund hierfür ist insbesondere die seit 2007 existierende neue Straße, die gut ausgebaut und asphalitiert ist und über die praktisch der gesamte motorisierte Verkehr läuft. So sind fast ausschließlich Mountainbikegruppen mit ihren Begleitfahrzeugen auf der alten Straße unterwegs. Die fahren natürlich alle bergab, so dass das Hauptrisiko, nämlich eine unerwartete Begegnung, kaum noch existiert.
Nach so viel Einleitung nun zu unseren Erlebnissen: wir wurden am Mittwoch früh um 7:30 Uhr von "Altitude Biking", das ist das Partnerunternehmen, mit dem Andean Expeditions zusammenarbeitet, abgeholt. In dem Minibus saßen insgesamt 12 Personen: neun Teilnehmer, zwei Guides und der Fahrer. Außer uns waren noch zwei Deutsche, ein irisches Pärchen plus Freund, ein Brasilianer sowie eine US-Amerikanerin an Bord.
Unter laut dröhnender Partymusik nahm unser Bus die Fahrt zum Pass "La Cumbre" auf, wo der lange Downhill beginnen sollte. Netterweise spielte auch das Wetter mit, zumindest erst einmal. Kurz hinter dem Pass ging es dann los: die Bikes wurden vom Dach geholt, wir erhielten unsere Ausrüstung, bestehend aus Jacke, Hose, Handschuhen, Knie- und Ellebogenschützern sowie einem Helm. Bei den Bikes handelte es sich um voll gefederte Modelle, die sicher nicht zur 200Euro-Supermarktklasse zählten




Dann gab es noch einige Instruktionen, und los ging es. Allerdings zunächst auf der asphaltierten und breit ausgebauten Straße ca. 10km abwärts. Hier konnten wir ziemlich entspannt rollen lassen, und dank des Sonnenscheins war es auch nicht zu kalt.



Am Ende dieses Abschnitts wartete dann ein kleines Frühstück und die Entrichtung des Eintrittsgeldes in Höhe von 25Bs. pro Person auf uns. Dann ging es wieder per Bus ca. 8km leicht bergauf, bevor wir an den Abzweig der alten von der neuen Straße kamen. Nach ein paar hundert Metern hielt der Bus dann an, und nun wurde die Sache ernst. Wir erhielten noch einmal Instruktionen: auf jeden Fall immer links halten, beim Überholen eines vor uns Fahrenden ankündigen, ob wir links oder rechts passieren wollen und natürlich nicht so schnell fahren. Ein Guide würde immer vor der Gruppe fahren, der zweite mal am Ende, aber zwecks Fotos auch mittendrin, und das Begleitfahrzeug hinter uns.


Dann ging es los, und als ungeübter Mountainbiker fühlte ich mich zunächst schon recht unsicher. Die "Straße" war tatsächlich extrem holprig, von großen Steinen durchsetzt, von Rinnen zerfurcht und auch zunehmend feucht. Denn leider tauchten wir bereits nach kurzer Zeit in Wolken ein, aus denen es dann leicht regnete und die uns die Sicht auf die atemberaubende Tiefe nahmen. Letzteres war vielleicht nicht einmal von Nachteil, da wir so nicht sahen, was links neben uns lauerte.


Nach einer Weile gewöhnte ich mich etwas an diese Art des Radfahrens und war erstaunt, wie gut unsere Räder mit diesem Untergrund klar kamen. Trotzdem war das Festhalten des stark rüttelnden Lenkers und das ständige Bremsen durchaus anstrengend, und konzentrieren mussten wir uns ohnehin. Immer wieder machten wir kurze Fotopausen.


Dabei durfte natürlich die meist fotografierte Stelle auch nicht fehlen. Aufgrund des Wetters wirkte sie allerdings eher mystisch als beängstigend.


Neben dem besonderen Nimbus der Death Road ist die sich ständig verändernde Landschaft ein weiteres Highlight der Tour. Starteten wir ja auf 4700mH in karger Hochgebirgslandschaft, so fuhren wir nun durch einen Nebelwald und sollten die Fahrt schließlich in von Palmen und Bananen bewachsenen Hügeln beenden. Bis es soweit war, mussten wir noch durch kurze Wasserfälle fahren und doch gelegentlichem Gegenverkehr ausweichen. Wie wir erfuhren, war die neue Straße wegen Bauarbeiten zur Zeit nur abwechselnd befahrbar, so dass offensichtlich einige Verkehrsteilnehmer lieber auf die alte Straße auswichen. Während der ganzen Tour erwiesen sich unsere Guides als sehr ruhig und professionell, so dass wir nie das Gefühl hatten, in eine heikle Situation zu geraten.

Nach ungefähr drei Stunden Abfahrt lagen die spektakulärsten Abschnitte hinter uns, und unsere Gruppe machte eine etwas längere Rast, um die Flüssigkeitsreserven wieder aufzufüllen.



Dabei stellten wir fest, dass sich unser Äußeres geringfügig verändert hatte. Nur gut, dass wir die Schutzkleidung trugen, die trotzdem nicht verhindern konnte, dass der Dreck auch in die eigene Kleidung eindrang. Übrigens hatten wir uns extra für die Tour noch Sneaker zum stolzen Preis von 58Bs. gekauft, um die eigenen Schuhe nicht vollkommen zu versauen.



Es folgte noch eine recht steile Abfahrt, bis wir auf 1200mH das Dorf Yolosa erreichten. Dort wurden wir von unserem Begleitfahrzeug wieder eingeladen und zu einer Hotelanlage mit Duschen und einem Schwimmbecken gefahren, wo unser Abenteuer bei einem Essen ausklang. Der Rest der Gruppe fuhr nun wieder zurück nach La Paz. Wir jedoch wollten gern eine Nacht in dem Ort Coroico verbringen. Dieses touristische Dörfchen liegt ca. 500m höher als Yolosa, und früher endeten die Radfahrten dort (die Teilnehmer wurden mit dem Begleitfahrzeug hinaufgefahren).
Eigentlich hatten wir uns vorgestellt, in unserem Hotel am Pool unter Palmen zu liegen. Aber leider gab es zwar einen Pool aber keine Palmen, und vor allem war es dann doch nicht so warm, dass wir unbedingt ins Wasser springen wollten.
Dafür erlebten wir am nächsten Tag noch eine Überraschung, als wir versuchten, mit dem öffentlichen Kleinbus zurück nach La Paz zu fahren. Im neu gebauten und schon wieder leicht vergammelten Busterminal gab es mehrere kleine Verkaufsstellen für die Fahrkarten. Dort konnten wir aber immer nur dann Karten kaufen, wenn gerade ein Bus des Unternehmens ankam. Nun waren aber deutlich mehr Reisende als Busse anwesend, die meisten natürlich Dorfbewohner. Aus unerfindlichen Gründen wussten die immer früher als wir, wann ein Bus welcher Verkaufsstelle ankam, und sofort begann der Run auf letztgenannte. Wir kamen natürlich zu spät (es gab ja auch jeweils nur ca. 9 Plätze zu verkaufen). Hätte uns nicht ein netter Mann aus La Paz, der in Coroico ein Haus besitzt, aus der Klemme geholfen, indem er für uns die Karten mit erwarb, so stünden wir vielleicht noch heute im Busterminal von Coroico.

1 Kommentar:

  1. Wie es ausssieht habt ihr euch keinen Adrenalinrausch entgehen lassen :-) Eure Schilderung liest sich auf jeden Fall spannend.

    VG Lucien

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