Sonntag, 23. Juni 2013

Pequeno Alpamayo (5410m)

Unsere zweite Nacht im Lager hatten wir ziemlich früh beendet. Der Wecker klingelte um 2:45 Uhr. Unser Zeitplan ließ uns 15 Minuten zum aus dem Schlafsack Klettern und Anziehen. Wir zogen fast die volle Montur an, die wir auf unserer Tour tragen würden: lange Unterhose, Tourenhose, Überhose, Wandersocken, Stiefel, Gamaschen, Funktionsunterhemd, dünnes Fleece und erst noch einmal die Daunenjacke. Beim Anziehen muss man darauf achten, dass man sich nicht zu weit aus dem noch wärmenden Schlafsack ins 2°C kalte Zeltinnere lehnt. Beim Anziehen der Hose im Liegen ist das natürlich nicht so einfach.

Um kurz vor 3:00 Uhr waren wir, wie mit Proxi abgesprochen, im Küchenzelt. Unser heutiges Frühstück bestand aus angetoastetem Brot und Müsli. Das Brot in Bolivien scheint überall ziemlich ähnliche Eigenschaften aufzuweisen. Es ist innen und außen eher trocken und fällt auseinander, wenn man es aufschneiden oder bestreichen möchte. Unser Müsli haben wir mit Milchpulver und Wasser sowie Trinkjogurt angerührt. Dazu gab es noch ein paar Tassen Tee und wir waren alles in Allem schnell mit dem Frühstück fertig.


Nach dem Frühstück tauschten wir die Daunenjacke gegen die Windstopper und schulterten unsere Rucksäcke. Es war ziemlich kalt und wir brachen um 3:36 Uhr in die teilweise durch den Vollmond erhellte Nacht auf. Chuck wurden die Finger nicht warm und ich hatte zum Glück noch sehr dicke Überhandschuhe dabei, die erst einmal Abhilfe schafften und seine Finger wärmten.


Nach einer guten Stunde erreichten wir das Ende des Geröllfeldes und somit den Start des Gletschers. Auf dem Weg hatten wir schon über uns auf dem Gletscher kleine Lichtpunkte von Stirnlampen gesehen. Offenbar war jemand schon vor uns aufgebrochen und nun gerade auf dem Gletscher.

Unser Weg zog sich an der rechten Seite des Gletschern empor und schwenkte nach dessen erster Erhebung nach links ab. Wir fanden die Spur ohne größere Probleme. Auf einmal waren alle kleinen Wolkenfetzen vor dem Mond verschwunden und es wurde unglaublich hell auf dem Gletscher. Das Eis reflektierte das Mondlicht und wir konnten sogar unsere Stirnlampen ausschalten und ohne Probleme über den gut ausgeleuchteten Gletscher spazieren.


Wie sich herausstellte, brauchten wir die Stirnlampen dann doch noch einmal. Am linken Rand des Gletchers warf der Berg neben uns einen großen Mondschatten und so konnten wir die Spur ohne Lampe nicht mehr erkennen. Um kurz vor 7:00 Uhr erreichten wir die von unten sichtbare Kuppe des Gletschers. Im Osten waren schon zaghafte Versuche der Sonne zu sehen, aufzugehen.


Bisher hatten wir noch nicht einmal den kleinsten Krümel des Pequeno Alpamayo gesehen. Wir nahmen nur an, dass er irgendwo hinter den Erhebungen vor uns liegen müsse. Eine halbe Stunde später konnten wir zum ersten Mal hinter die Gletscherkuppen blicken.


Wir sahen einen kurzen Weiterweg zu einem Felskopf vor uns und dahinter einen Abstieg auf einen Grat, der sich zum Pequeno Alpamayo hinzog. Auf dem Gipfel konnten wir gerade so gegen die aufgehende Sonne zwei kleine Punkte erkennen, die Rucksäcke trugen.


Wir gelangten schnell auf den felsigen Kopf und fanden ohne größere Probleme einen Abstieg durch die zerklüftete und leicht steinschlaggefährdete Flanke hinunter zum Grat. Oben hatten wir zur Sicherheit unsere Helme aufgesetzt, falls sich doch ein Stein lösen sollte.


Der Grat, den wir nun betraten, war gut gespurt aber an einigen Stellen ziemlich schmal. Die Sonne blendete etwas und wir liefen noch den größten Teil im Schatten.


Der Grat hielt einige Aufschwünge bereit, von denen die letzten beiden zum Gipfel als die steilsten erschienen.


Es war mittlerweile 8:30 Uhr und die Sonne erstrahlte über dem Grat.


Sie ging allerdings hinter dem Gipfel auf, sodass der oberere Teil des Anstiegs wieder im Schatten lag. Das war aber kein Problem, da wir mittlerweile so sehr am Aufstieg zu arbeiten hatten, dass uns sowieso nicht mehr kalt wurde.


Wir hatten noch ein drittes Eisgerät mitgenommen. Für den Fall, dass es schwierige Passagen geben sollte, hätte der Vorsteiger zwei Eisäxte zur Verfühung gehabt. Der Aufschwung war zwar steil, aber der Firn war in Ordnung und so gingen wir ohne Sicherung zum Gipfel, den wir um 8:44 Uhr auf 5410m erreichten.

Da es noch sehr früh war und wir durch die bisherigen knapp 6h Tour schon ein wenig geschwächt waren, beschlossen wir, den Weg vom Gipfel hinunter abzusichern. So konnten wir auch noch einmal den Umgang mit dem Sicherungsmaterial üben, der am nächsten Tag sicher nötiger wäre.


Ich schlug einen Firnanker in den Hang und sicherte mich daran. Dann banden wir uns an beide Enden unseres 60m langen Seils ein und Chuck kletterte den steilen Hang hinab, während ich ihm so viel Seil nachließ, wie er brauchte.


Nach der Hälfte und am Ende sicherte Chuck mit Eisschrauben und baute einen eigenen Stand. Die Eisschrauben stellten sich in diesem Firn als weniger geeignet heraus, während ich die Firnanker manchmal schon ziemlich mit dem Hammerkopf des Eisgeräts bearbeiten musste, um sie wirklich tief genug zu versenken. Wir sicherten insgesamt zwei 60m Seillängen, bis wir den weniger steilen Teil des Grats wieder erreicht hatten.


Anderthalb Stunden nach dem Gipfel blickten wir auf den atemberaubenden Schlussanstieg zurück, der nun voll in der Sonne lag. Wir hatten den tiefsten Punkt des Grats erreicht und mussten nun wieder den Gegenanstieg zum Felskopf angehen.


Der Gegenanstieg und das anschließende Erklettern des Felsflanke schlauchten und ungemein. Wir hatten uns eben noch so fit gefühlt und nun konnten wir kaum 10m am Stück aufsteigen, ohne dass wir total fertig waren.

Zum Glück geht es auf Gletschern immer viel schneller und weniger anstrengend hinunter als hinauf. Den Felskopf hatten wir um 10:30 Uhr erreicht und am Lager waren wir schon 2,5 Stunden später um 13:00 Uhr angelangt.


Weitere zehn Minuten später saßen wir auch schon bei Proxi im Küchenzelt bei einer heißen Suppe, die er für unsere Rückkehr vorbereitet hatte. Wir beschlossen uns erst einmal auszuruhen, bevor wir für die Tour zum Cabeza del Condor am nächsten Morgen packen würden. Der Cabeza del Condor war kurze Zeit später übrigens hinter Wolken verschwunden, und es begann anhaltend zu schneien.


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