Sonntag, 30. Juni 2013

Lager II: Laguna Glaciar

Heute Nacht musste es irgendwie besonders kalt gewesen sein. Nach dem obligatorischen Aufstehen zwecks Entsorgung überflüssiger Flüssigkeit wurde mir jedenfalls nicht mehr richtig warm im Schlafsack. So hatte ich dann auch das Gefühl, dass die Nacht sich ziemlich hinzog.

Um 7:30 Uhr kam endlich Bewegung auch bei meinem Nachbarn auf. Das Thermometer zeigte um die Zeit übrigens 0,5 Grad an, was schon ein neuer Minusrekord war. Es dauerte bis kurz vor 8:00 Uhr, bis wir im Küchenzelt zum Frühstück erschienen.

Um die Zeit waren auch schon die Träger eingetroffen. Sie hatten sich etwas oberhalb hingesetzt, wo die Sonne schon gerade so hingekommen war. Leider hatte sie die Zelte noch nicht erreicht, was aber gut gewesen wäre, da diese stark befroren bzw. innen auch nass von Kondeswasser waren. Wir schafften es nicht mehr, sie ganz zu trocknen. Das musste dann eben am Nachmittag nach dem Wiederaufbau geschehen.

Beim Aufteilen des Gepäcks auf die Träger
Die Gepäckstücke wurden auf insgesamt sechs Träger verteilt. Wir gingen um 9:30 Uhr los. Die Träger legten ein Tempo vor, das wir unmöglich halten konnten. So blieben wir bei Ricardo. Zunächst mussten wir über den Titisani-Pass gehen. Dann zog sich der Weg, immer mehr oder weniger steil ansteigend, eine lange Zeit entlang einer Bergflanke hinauf. Immer wieder konnten wir bis nach Sorata hinunter- und zum Illampu hinaufschauen. Auch der Ancohuma schaute immer mal von weit oben auf uns herab.

Die Bergflanke, die wir hinauf mussten, im Hintergrund der Ancohuma


Um 12:35 Uhr machten wir eine Mittagsrast in 4860mH. Es gab Sandwiches mit Avocado, Tomaten, Käse und Kochschinken.

Mittagsrast
Nach einer Dreiviertelstunde ging es weiter, und schließlich erreichten wir um 13:45 Uhr das Lager an der Laguna Glaciar in 5026mH. Hier warteten schon die Träger auf uns, von denen drei dann auch wieder hinunter ins Tal gingen. Drei andere blieben hier, um morgen das Gepäck ins Hochlager zu schaffen.

Wir bauten als erstes die Zelte auf, was in dieser Höhe erstaunlich anstrengend war. Es lag wohl am ewigen Bücken und wieder Hochkommen, was unseren Kreisläufen zu schaffen machte. Schließlich war das erledigt, und wir genossen einen Tee mit Kuchen im Zelt.

Bei Tee und Kuchen

Abendstimmung am Lager

Samstag, 29. Juni 2013

Lager I: Laguna Chilata

Unser Tag in dem Hotel las Piedras begann mit einem Frühstück, zu dem es frische Sauerteigbrötchen gab, die Stefan gebacken hatte. Dazu gab es zwei Sorten Marmelade, die Petra selber gekocht hatte, und Honig, den wir bisher noch nicht in Bolivien gefunden hatten.

Wie am Vortag abgesprochen, war Stefan pünktlich mit seinem Jeep an dem Hotel, um uns zum Treffpunkt mit den Eseln  zu bringen. Ricardo kam auch ein bisschen später an und wir konnten nun endlich noch einmal über die Organisation des Transports sprechen, die Ricardo übernommen hatte. Wir würden mit vier Maultieren zum ersten Lager gehen. Vom ersten ins zweite sollten uns 7 Träger begleiten. Das kleine Hochlager vom zweiten Lager aus würden drei Träger mit uns einrichten werden.

Knapp um 9:30 Uhr saßen wir, von Stefan ausgeladen, an einer Straße auf 3200m Höhe und warteten auf die Tiere, die nach und nach eintrafen.


Es wurde alles in genau sieben Säcke gepackt, die dann auf die vier Maultiere verteilt wurden. Unter den Mulitreibern waren zwei junge Männer und anscheinend die Frau von Ricardo unserem Koch sowie deren neunjähriger Sohn.


Das Tempo, das Ricardo bergauf vorlegte, war für meinen Geschmack am Anfang ziemlich zügig. Die Tiere liefen auch noch relativ willig den Hang hinauf. Nach ca. zwei Stunden wurde es für eines der Maultiere aber ein bisschen beschwerlicher, und es musste immer wieder angetrieben oder ein Stück gezogen werden.


Über uns thronte die meiste Zeit der Illampu mit seinen 6368 Metern, der als der schwerste 6000er in Bolivien gilt. Unser Ziel, den Ancohuma, der mit 6427 Metern noch ein bisschen höher ist, sahen wir erst nach fast drei Stunden einmal hervorgucken.


Der Sohn von Ricardo war die ganze Zeit vorne mit dabei und trieb zeitweise zwei der Maultiere an.


Nach 3h15 hatten wir die Laguna Chilata erreicht, an der wir auf 4204m, also mehr als 1400m höher als Sorata unser erstes Lager aufschlugen. Erst einmal machten wir uns aber Sandwiches zum Mittag. Das Brot hatte, auf die Mulis gebunden, leider etwas gelitten, die Atmosphäre wog das zerfallende Toastbrot aber wieder auf.


Freitag, 28. Juni 2013

Fahrt nach Sorata

Pünktlich um 9:00 Uhr wurden wir von Freddy mit unserem Gepäck am Hotel abgeholt. Es war ziemlich viel Verkehr und wir haben bestimmt 1,5h gebraucht, um aus La Paz und El Alto hinauszukommen. Der Großteil der Autofahrt verlief auf über 4000m Höhe und erst ziemlich spät wurde die Straße steiler. Tief unter uns sahen wir nach 3,5h Sorata liegen.


Nach einer weiteren halben Stunde hatten wir den Dorfplatz erreicht, auf dem wir Ricardo, unseren Koch, einluden und von wo aus wir zum Hostal de Piedras fuhren. Das Hostal ist ein kleines nettes Hotel, das von der Deutschen Petra betrieben wird. Ricardo half uns beim Ausladen und inspizierte erst einmal jedes Gepäckstück. Er sollte auch den Transport mit den Eseln organisieren.

Wir kannten leider kaum Details über die Organisation unserer Reise, da Michael anscheinend alles vorher organisiert hatte, aber nun auf einem Trek nicht mehr erreichbar war. Wir hatten noch mitbekommen, dass die Organisation vor Ort über einen Stefan laufen sollte, der Schweizer sei und in Sorrata lebte. Möglichst bald wollten wir diesen Stefan aufsuchen, um in Erfahrung zu bringen, wie denn genau die Transporte vom ersten ins zweite und vom zweiten ins dritte Lager organisiert werden sollten. Wir wussten aus unseren Unterlagen, dass hier keine Mulis mehr gehen konnten.

Nach einem Telefonanruf wurde uns mitgeteilt, dass wir Stefan in seinem Café in Sorata treffen könnten, das ca. 10 Minuten entfernt sei. Also machten wir uns auf und folgten dem beschriebenen Weg zum Café Illampu, der uns über einen kleinen Fluss führte.


Im Café angekommen fragten wir nach Stefan. Man sagte uns, dass er gerade im Gespräch sei und in 10 Minuten kommen würde. Wir bestellten einen Cappuccino und ein Stück "Torta Rica", da wir bisher auch noch nichts außer unserem Frühstück gegessen hatten.

Nach ca. 10 Minuten bekamen wir als die einzigen Gäste endlich unsere bestellte Torte. Der Cappuccino dauerte noch ein bisschen länger. Zwischendurch hörte man die beiden Bediensteten nur hinter der Theke kichern.

Nachdem wir unseren Schokoladenkuchen und den Instantkaffee-aber-Milchschaum-Cappuccino verspeist hatten, fragten wir uns, wann denn nun Stefan endlich Zeit hätte. Wir warteten noch eine Weile, bis Chuck dann die Bedienung noch einmal ansprach, wann Stefan denn Zeit hätte. Die beiden hatten anscheinend vergessen, dass wir mit Stefan sprechen wollten und fragten noch einmal nach, ob wir das denn wirklich wollten. Danach dauerte es knappe fünf Minuten und Stefan war da.

Stefan ist ein Bäcker aus Basel, der seit knapp 20 Jahren in Sorata lebt und bäckt. Mittlerweile hat er auch ein Café in La Paz eröffnet, in dem es seinen Kuchen, Spätzle und Rösti gibt. Stefans Rolle bezogen auf unsere Tour bestand darin, dass er ein Brot für uns backte und uns am nächsten Morgen mit seinem Jeep bis zu dem Punkt bringen sollte, an dem er uns dann auch 5 Tage später wieder abholen würde. Anscheinend hatten wir seine Rolle falsch verstanden, denn er konnte uns zur Organisation am Berg auch rein gar nichts sagen.

Nach einem netten Gespräch machten wir uns also wieder auf zu unserem Hotel, um danach ein wenig den kleinen Ort zu erkunden. Sorata hat ca. 6000 Einwohner, von denen die Hälfte jünger als 20 Jahre sind. Es gibt viele Kinder und auch viele Kinder, die Eltern werden. Studieren kann man in Sorata nicht, und einige der Häuser sind erst seit einem Jahr an das Stromnetz angeschlossen. Es gibt einige merkliche Entwicklungsprobleme des Dorfes, was z.B. den Müll und das Abwasser angeht. Es gilt schon als gut, wenn beide im Fluss landen, was anscheinend nicht immer der Fall ist.


Da wir noch viel Zeit hatten, machten wir noch einen Spaziergang durchs Dorf und genossen die Aussicht auf den Illampu, der um 18:20 Uhr in der Abendsonne erstrahlte.

Dienstag, 25. Juni 2013

Rückkehr vom Condoriri

Nach unserem knappen Nichterreichen des Gipfels am Vortag war uns klar, dass für heute kein Gipfelversuch mehr auf dem Plan stehen würde. Wir hatten uns am Nachmittag also das Satelitentelefon geschnappt, mit dem man auch von dort aus telefonieren kann, wo kein Handynetz besteht, und unseren Kontakt Mirko angerufen. Unsere Rückreise nach La Paz hatten wir von 15:00 Uhr auf 10:00 Uhr vorverlegt.


Bereits um 8:00 Uhr kam ein Eseltreiber ins Lager und gesellte sich zu Proxi ins Küchenzelt.


Nachdem wir das meiste verpackt hatten und alle Gepäckstücke vom Eseltreiber sortiert worden waren, begann er mit dem Wiegen der einzelenen Teile. Proxi stand daneben und notierte die einzelnen Gewichte, die er später aufaddierte.


Das Ergebnis waren 116kg Ausrüstung und Gegenstände, die auf die Esel geschnallt werden sollten. Vier Tage zuvor waren wir noch mit 150kg zum Lager aufgestiegen. Somit müssten wir also 34kg "verbraucht" haben.


Auf dem Rückweg zur Straße, wo der Minibus uns und unser Gepäck abholen sollte, warfen wir noch einen Blick zurück zum Cabeza del Condor, dessen Gipfel nicht frei war, aber von weniger Wolken umwabert wurde, als bei unserem Abbruch.


Montag, 24. Juni 2013

Cabeza del Condor (5648m)

Die Nacht war unruhig gewesen, und als um 2:00 Uhr der Wecker klingelte, fühlte ich mich ganz und gar nicht so, als ob ich heute auf irgendeinen Berg steigen sollte. Aber wir wollten ja auch nicht auf irgendeinen Berg steigen sondern auf den Hauptgipfel der Condoriri-Gruppe, den 5648 Meter hohen Cabeza del Condor.

Unser Frühstück wartete schon auf uns, als wir in den dicken Daunenjacken im Kochzelt auftauchten. Wieder wurden wir mit Müsli verwöhnt, was so ziemlich das einzige ist, das man um diese Uhrzeit herunter bekommt.

Nach dem Anlegen der Steigeisen
Um 2:50 Uhr brachen wir bei noch klarem Himmel auf. Leider wogen die Rucksäcke mehr als gestern, da wir aufgrund der technischen Anforderungen der Route mehr Material einpacken mussten. So zierten sie nun je zwei Eisgeräte, außerdem hatten wir zwei Firnanker und insgesamt sechs Eisschrauben dabei.

Im Unterschied zu gestern ging es heute auch gleich richtig bergauf. Dank der Erkundung und Errichtung einiger Steinmänner vor zwei Tagen und dank des auch heute hell strahlenden Mondes stellte zumindest die Routenfindung kein Problem dar. Und so erreichten wir nach einer Stunde und fünfzig Minuten das Ende der Moräne und damit den Beginn des firnduchsetzten Schutthanges, den wir nun erklimmen mussten, um auf den Condoriri-Gletscher zu gelangen.

Die Konsistenz dieses Hanges lässt sich am besten mit "gefrorenem Brösel" umschreiben. Allerdings ist die Hangneigung so, dass wir auf keinen Fall einen Ausrutscher riskieren wollten. So ließen wir die Steigeisen angelegt und kämpften uns in der auch hier erkennbaren Spur den Hang hinauf.

Um 6:00 Uhr erreichten wir über ein kurzes aber steiles Firncouloir den Gletscher. Wir waren nun 5270m hoch, so dass noch ca. 400mH vor uns lagen. Nun konnten wir die Rucksäcke erleichtern, da wir uns anseilten und die Eisgeräte in die Hände nahmen. Dafür mussten wir feststellen, dass der von unten und weitem eher flach wirkende Gletscher eigentlich doch ziemlich steil anstieg. Dabei galt es auch, einigen großen Spalten auszuweichen, so dass wir nicht immer die direkte Linie nehmen konnten.

Der Gipfel hüllt sich schon in Wolken
So gegen 7:00 Uhr wurde es langsam hell, und zur gleichen Zeit begann sich eine Wolke recht hartnäckig im Gipfelbereich unseres Zieles zu etablieren. Noch sah das ganze aber nicht bedrohlich aus. So verzog sie sich nach einer Weile auch einmal und erlaubte uns einen guten Blick in die Gipfelwand.

Die Gipfelwand, gestrichelt das verdeckte Couloir, und oberhalb
 unser Umkehrpunkt vor dem letzten Felsaufschwung
Was man auf dem Foto nicht erkennt, ist das Couloir, das sich hinter dem ersten Gipfelzacken von rechts nach links hinaufzieht. Dieses Couloir war die Schlüsselstelle des Anstiegs. Zunächst ging es noch mäßig steil hinauf. J.O. war im Vorstieg und versenkte nach vielleicht 15 Metern einen Firnanker. Dann verschwand er um eine Ecke. So konnte ich nur anhand der Geschwindigkeit, mit der ich Seil ausgeben musste, erkennen, ob er sich in eher gutmütigem oder ungemütlichem Gelände bewegte.

Eine Weile handelte es sich offenbar um die erste Sorte. Dann allerdings geriet sein Vorwärtsdrang ins Stocken. J.O. gehört nun nicht zu den Menschen, die ihrem Unmut lautstark Luft machen. Irgendwann war er dann doch am Schimpfen, als ihm nämlich ein Karabiner entglitt und die Rinne hinunter rauschte. Wir fanden ihn nicht wieder.

Schließlich rief er das erlösende Wort: "Stand". Nun war ich an der Reihe. Als ich um die Ecke blickte, war mir klar, warum er eine Weile gebraucht hatte: die Rinne wurde immer schmaler, steiler, und im letzten Stück hielt sie als besondere Überraschung einen Blankeiskamin für uns bereit.


Ich in der steilen Rinne

Um kurz nach 9:00 erreichte auch ich den Stand am Ende der Rinne. Wir dachten, nun müsste das Schlimmste überstanden sein. Das stimmte so nicht ganz. Der folgende Firnaufschwung entpuppte sich als ebenfalls überraschend steil und schlecht sicherbar, da der Firn ziemlich haltlos war. Was uns aber zumehmend besorgte, war das Wetter. Seit einer Weile stiegen wir im Nebel, und hin und wieder fielen ein paar Flocken. Unsere Sorge war, dass bei einsetzendem Schneefall die Spur auf dem Gletscher nicht mehr erkennbar wäre und wir dann in ernste Schwierigkeiten geraten würden.

Am Umkehrpunkt

Es war kurz nach 10:00 Uhr, als wir, auf dem sehr schmalen und von unsicherem Firn bedeckten Grat stehend und den letzten Felsaufschwung vor dem Gipfelgrat erkennend, uns entschieden, die Tour hier, vielleicht gerade 30mH unter dem Gipfel, abzubrechen.

Der Rückzug durch das anspruchsvolle Gelände bis zum Stand am oberen Ende der Rinne erforderte unsere ganze Aufmerksamkeit. Das schwierigste Stück der Rinne konnten wir dann abseilen, und so waren wir um 11:30 Uhr wieder am unteren Ende der Rinne angelangt.

Dem Couloir wieder entronnen
Inzwischen schneite es stärker, aber zum Glück konnten wir die Spur noch erkennen. Eine Stunde später erreichten wir das Gletscherende. Nun trafen wir eine Fehlentscheidung: wir befolgten den Rat, den wir vor zwei Tagen erhalten hatten, und begannen, auf Felsbändern abzusteigen. Leider entpuppte sich dieser Weg nach einer Weile als Sackgasse, und so blieb uns nichts anderes übrig, als wieder hinauf in die Scharte zu steigen, um dann den Abstieg über die Aufstiegsroute fortzusetzen. Der Spaß kostete uns über eine Stunde Zeit und einiges an Kraft und Nerven.

Dafür erwies sich der Abstieg durch den Schutthang zwar als ziemlich eklig aber nicht unbedingt schwierig. Nach einer guten halben Stunden hatten wir ihn hinter uns, und eine weitere Stunde später waren wir wieder im Lager, wo Proxi schon mit der Suppe auf uns wartete.

Natürlich wären wir gern auf dem Gipfel gewesen, zumal wir ihm ja so nah gekommen waren. Aber wie immer trafen wir die Entscheidung gemeinsam und auch diesmal nach dem Motto: Sicherheit zuerst!

Sonntag, 23. Juni 2013

Pequeno Alpamayo (5410m)

Unsere zweite Nacht im Lager hatten wir ziemlich früh beendet. Der Wecker klingelte um 2:45 Uhr. Unser Zeitplan ließ uns 15 Minuten zum aus dem Schlafsack Klettern und Anziehen. Wir zogen fast die volle Montur an, die wir auf unserer Tour tragen würden: lange Unterhose, Tourenhose, Überhose, Wandersocken, Stiefel, Gamaschen, Funktionsunterhemd, dünnes Fleece und erst noch einmal die Daunenjacke. Beim Anziehen muss man darauf achten, dass man sich nicht zu weit aus dem noch wärmenden Schlafsack ins 2°C kalte Zeltinnere lehnt. Beim Anziehen der Hose im Liegen ist das natürlich nicht so einfach.

Um kurz vor 3:00 Uhr waren wir, wie mit Proxi abgesprochen, im Küchenzelt. Unser heutiges Frühstück bestand aus angetoastetem Brot und Müsli. Das Brot in Bolivien scheint überall ziemlich ähnliche Eigenschaften aufzuweisen. Es ist innen und außen eher trocken und fällt auseinander, wenn man es aufschneiden oder bestreichen möchte. Unser Müsli haben wir mit Milchpulver und Wasser sowie Trinkjogurt angerührt. Dazu gab es noch ein paar Tassen Tee und wir waren alles in Allem schnell mit dem Frühstück fertig.


Nach dem Frühstück tauschten wir die Daunenjacke gegen die Windstopper und schulterten unsere Rucksäcke. Es war ziemlich kalt und wir brachen um 3:36 Uhr in die teilweise durch den Vollmond erhellte Nacht auf. Chuck wurden die Finger nicht warm und ich hatte zum Glück noch sehr dicke Überhandschuhe dabei, die erst einmal Abhilfe schafften und seine Finger wärmten.


Nach einer guten Stunde erreichten wir das Ende des Geröllfeldes und somit den Start des Gletschers. Auf dem Weg hatten wir schon über uns auf dem Gletscher kleine Lichtpunkte von Stirnlampen gesehen. Offenbar war jemand schon vor uns aufgebrochen und nun gerade auf dem Gletscher.

Unser Weg zog sich an der rechten Seite des Gletschern empor und schwenkte nach dessen erster Erhebung nach links ab. Wir fanden die Spur ohne größere Probleme. Auf einmal waren alle kleinen Wolkenfetzen vor dem Mond verschwunden und es wurde unglaublich hell auf dem Gletscher. Das Eis reflektierte das Mondlicht und wir konnten sogar unsere Stirnlampen ausschalten und ohne Probleme über den gut ausgeleuchteten Gletscher spazieren.


Wie sich herausstellte, brauchten wir die Stirnlampen dann doch noch einmal. Am linken Rand des Gletchers warf der Berg neben uns einen großen Mondschatten und so konnten wir die Spur ohne Lampe nicht mehr erkennen. Um kurz vor 7:00 Uhr erreichten wir die von unten sichtbare Kuppe des Gletschers. Im Osten waren schon zaghafte Versuche der Sonne zu sehen, aufzugehen.


Bisher hatten wir noch nicht einmal den kleinsten Krümel des Pequeno Alpamayo gesehen. Wir nahmen nur an, dass er irgendwo hinter den Erhebungen vor uns liegen müsse. Eine halbe Stunde später konnten wir zum ersten Mal hinter die Gletscherkuppen blicken.


Wir sahen einen kurzen Weiterweg zu einem Felskopf vor uns und dahinter einen Abstieg auf einen Grat, der sich zum Pequeno Alpamayo hinzog. Auf dem Gipfel konnten wir gerade so gegen die aufgehende Sonne zwei kleine Punkte erkennen, die Rucksäcke trugen.


Wir gelangten schnell auf den felsigen Kopf und fanden ohne größere Probleme einen Abstieg durch die zerklüftete und leicht steinschlaggefährdete Flanke hinunter zum Grat. Oben hatten wir zur Sicherheit unsere Helme aufgesetzt, falls sich doch ein Stein lösen sollte.


Der Grat, den wir nun betraten, war gut gespurt aber an einigen Stellen ziemlich schmal. Die Sonne blendete etwas und wir liefen noch den größten Teil im Schatten.


Der Grat hielt einige Aufschwünge bereit, von denen die letzten beiden zum Gipfel als die steilsten erschienen.


Es war mittlerweile 8:30 Uhr und die Sonne erstrahlte über dem Grat.


Sie ging allerdings hinter dem Gipfel auf, sodass der oberere Teil des Anstiegs wieder im Schatten lag. Das war aber kein Problem, da wir mittlerweile so sehr am Aufstieg zu arbeiten hatten, dass uns sowieso nicht mehr kalt wurde.


Wir hatten noch ein drittes Eisgerät mitgenommen. Für den Fall, dass es schwierige Passagen geben sollte, hätte der Vorsteiger zwei Eisäxte zur Verfühung gehabt. Der Aufschwung war zwar steil, aber der Firn war in Ordnung und so gingen wir ohne Sicherung zum Gipfel, den wir um 8:44 Uhr auf 5410m erreichten.

Da es noch sehr früh war und wir durch die bisherigen knapp 6h Tour schon ein wenig geschwächt waren, beschlossen wir, den Weg vom Gipfel hinunter abzusichern. So konnten wir auch noch einmal den Umgang mit dem Sicherungsmaterial üben, der am nächsten Tag sicher nötiger wäre.


Ich schlug einen Firnanker in den Hang und sicherte mich daran. Dann banden wir uns an beide Enden unseres 60m langen Seils ein und Chuck kletterte den steilen Hang hinab, während ich ihm so viel Seil nachließ, wie er brauchte.


Nach der Hälfte und am Ende sicherte Chuck mit Eisschrauben und baute einen eigenen Stand. Die Eisschrauben stellten sich in diesem Firn als weniger geeignet heraus, während ich die Firnanker manchmal schon ziemlich mit dem Hammerkopf des Eisgeräts bearbeiten musste, um sie wirklich tief genug zu versenken. Wir sicherten insgesamt zwei 60m Seillängen, bis wir den weniger steilen Teil des Grats wieder erreicht hatten.


Anderthalb Stunden nach dem Gipfel blickten wir auf den atemberaubenden Schlussanstieg zurück, der nun voll in der Sonne lag. Wir hatten den tiefsten Punkt des Grats erreicht und mussten nun wieder den Gegenanstieg zum Felskopf angehen.


Der Gegenanstieg und das anschließende Erklettern des Felsflanke schlauchten und ungemein. Wir hatten uns eben noch so fit gefühlt und nun konnten wir kaum 10m am Stück aufsteigen, ohne dass wir total fertig waren.

Zum Glück geht es auf Gletschern immer viel schneller und weniger anstrengend hinunter als hinauf. Den Felskopf hatten wir um 10:30 Uhr erreicht und am Lager waren wir schon 2,5 Stunden später um 13:00 Uhr angelangt.


Weitere zehn Minuten später saßen wir auch schon bei Proxi im Küchenzelt bei einer heißen Suppe, die er für unsere Rückkehr vorbereitet hatte. Wir beschlossen uns erst einmal auszuruhen, bevor wir für die Tour zum Cabeza del Condor am nächsten Morgen packen würden. Der Cabeza del Condor war kurze Zeit später übrigens hinter Wolken verschwunden, und es begann anhaltend zu schneien.


Samstag, 22. Juni 2013

Erkundung der Zustiege vom Basislager

Proxi hatte uns am Abend zuvor geraten, mit dem Fruehstueck erst um 8:00 Uhr zu beginnen, da vorher noch keine Sonne auf das Lager scheinen würde. Wir verließen also um kurz vor 8:00 Uhr unser Zelt, in dem es durch unsere nachts abgegebene Körperwärme knapp 4 Grad warm war, um durch die Kälte des Lagers zum Küchenzelt zu gelangen.


Durch den starken Temperaturunterschied der Luft, die im Schlaf unseren Lungen entwich und der Luft, die das Zelt umgab, hatte sich auf unseren Schlafsäcken Kondenswasser gebildet, das an der Zeltwand gefroren war.

Proxi überraschte uns mit kleinen frittierten Teigtaschen mit Käsefüllung, die wir in eine braune Flüssigkeit tunken und essen sollten. Die Teigtaschen schmeckten sehr gut. Worum es sich bei der Flüssigkeit handelte, wissen wir bis heute nicht genau. Die Sauce sah schokoladig aus, schmeckte ein bisschen süßlich, aber vor allem nach Mehl.


Proxi hatte Recht behalten und die Sonne hatte erst um 8:00 Uhr unser Lager erreicht. Nach dem Frühstück packten wir unsere Sachen und machten uns auf zu einer Erkundungstour, zu der wir um ca. 9:25 Uhr aufbrachen. Wie man am unteren Bild sehen kann, tauschten wir dazu unsere Daunenjacken, die wir noch im Lager getragen hatten, gegen die dünneren Fleecejacken.


Eine Daunenjacke steht im Lager für Wärme und Geborgenheit und sobald man sie auszieht, fängt man sofort an zu frieren. Leider kann man bei den Verhältnissen, die wir auf unseren Touren haben, die Daunenjacken auch nicht anlassen. Wenn man es doch tut, fängt man innerhalb von kürzester Zeit an, wie blöde zu schwitzen. Sobald der Körper nämlich auf Touren kommt, produziert er in der Daunenjacke eine Hitze, die nicht mehr auszuhalten ist. Im Lager, wo der teilweise erschöpfte Körper runterfährt, braucht man aber unbedingt den Schutz der Daunenjacke.

Zum Glück schien die Sonne und so wurde uns bald warm, als wir unsere Erkundung der Zustiege starteten. Unsere Ziele für die nächsten Tage waren die beiden Fünftausender: Pequeno Alpamayo (5410m) und Cabeza del Condor (5648m). Da wir die Berge auf eigene Faust und somit auch ohne einen ortskundigen Bergführer besteigen wollten, hielten wir es für sehr wichtig, die Zustiege schon am Tag vorher zu erkunden.

Man startet die eigentliche Besteigung der Berge sehr früh am Morgen zwischen 2:00 und 3:00 Uhr, damit man auch beim Abstieg noch festen Firn hat. Da wir uns in Äquatornähe befinden und hier gerade Winter haben, sind die Tage nicht sehr lang. Die Sonne geht morgens um 7:00 Uhr auf und abends pünktlich um 18:00 Uhr unter. Somit läuft man bei einem Start um 2:00 Uhr morgens noch fünf Stunden im Dunkeln durch die Berge. Wir hielten es also für extrem wichtig, uns ein Bild der Zustiege im Hellen zu verschaffen, damit wir uns nicht schon vor dem Beginn der Touren im Dunkeln verlaufen.


Als erstes hatten wir uns die Erkundung des Zustiegs zum Pequeno Alpamayo vorgenommen. Michael hatte uns erzählt, dass wir einfach aus dem Lager hinaus in Richtung des großen Gleschers laufen sollten. Nach kurzer Zeit fanden wir auch sehr deutliche Pfadspuren, die durch ein kleines Tal zu einer Geröllebene führten. In dem teilweise sumpfigen Tal trafen wir auch zum ersten Mal auf eine größere Herde Lamas. Es ist erstaunlich, dass diese Tiere sich hier auf ca. 4800m Höhe erst wohlfühlen.


Nach knapp einer Stunde Gehzeit waren wir schon fast so nah am Gletscher, dass wir alles überblicken konnten. Auf dem Gletscher sah man eine deutliche Spur im Schnee, die bis nach oben auf die Kuppe führte. Der Pequeno Alpamayo war nicht zu sehen, da er hinter der Kuppe des Gleschers liegt.

Wir gingen also zurück in Richtung des Basislagers, um von dort aus auch noch den Zustieg zum Cabeza del Condor zu finden. Um das Finden des Weges zum Pequeno Alpamayo am nächsten Morgen im Dunkeln machten wir uns nun keine Sorgen mehr. Die Pfadspuren zum Gletscher würden deutlich zu sehen sein und eigentlich ging es auch nur geradeaus. Sobald wir den Gletscher erreicht hätten, würden wir auch die Spur im Schnee finden können, die man heute schon sah.


Von unserem Weg aus hatten wir auch schon Einblicke hinüber zum Cabeza del Condor erhalten. Die drängensten Fragen für uns waren, wie wir zum Fuß des schwarzen Felsriegels kommen sollten und wir es von da aus durch den Felsriegel gehen sollte. Wir hatten auf Fotos gesehen, dass es eine Variate rechts durch den Fels nahe des Hängegletschers geben sollte und auch eine auf der linken Seite. Wir sahen aus der Ferne mehrere Scharten, die eventuell für einen Aufstieg in Frage kämen. Auf dem Weg zurück vom Gletscher trafen wir einen brasilianischen Bergführer, der uns eine Scharte beschrieb (ganz links auf dem obigen Bild) und zusätzlich noch eine sicherere Alternative nannte. Er meinte, dass die Scharte sehr steinschlaggefährdet sei und man auch einen Umweg über einen Pass vor dem Pico Austria viel weiter links nehmen könne, um über Fels hinten herum an den obersten Punkt der Scharte zu gelangen.


Nachdem wir vom Basislager aus den Pfad in Richtung des Pico Austria und Cabeza del Condor gefunden hatten, beschlossen wir, nun erst einmal eine Mittagspause einzulegen und ein bisschen zu essen. Proxi hatte jedem von uns morgens ein kleines Säckchen vollgepackt mit Lebensmitteln gegeben. Wir hatten eine Banane, ein Stück Schokolade, ein Sandwich und Kekse mitbekommen.


Nach ca. 30 Minuten erreichten wir weiter oben die Abzweigung zum leichteren Pico Austria und zu unserem Ziel dem Cabeza del Condor. Ziemlich bald ging es einen Schneehang hinauf. Wir testeten den Firn und stellten fest, dass er sich einigermaßen gut ohne Steigeisen gehen ließ.


Es ging den noch gut gangbaren aber teilweise schon dünnen Firn hinauf bis wir auf ca. 5030m eine Moräne erreichten.


Auf der Moräne konnten wir nach links abzweigend den Weg in einen Geröll- und Schneehang sehen, den uns der Brazilianer als steinschlaggefährdet beschrieben hatte. Da wir eine Spur sahen, beschlossen wir, den Weg später für unsere Besteigung zumindest auf dem Hinweg einzuschlagen. Wenn es morgens noch kalt genug war, würde der Hang auch wenig steinschlaggefährdet sein. Auf dem Rückweg hofften wir, bei Tageslicht den leichteren aber sichereren Umweg zu finden.

Wir machten uns für heute auf den Rückweg ins Lager, da wir nun schon innerhalb kurzer Zeit unser Tagesziel - das Auskundschaften der Zustiege - erreicht hatten.

Nachmittags zogen Wolken auf und es wurde extrem windig, sodass uns das Essenszelt beinahe um die Ohren flog. Bald nach 19:00 Uhr gingen wir ins Bett, da für den nächsten Morgen der Wecker auf 2:45 Uhr stand.